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25.09.2013

Spitex-Modell droht auseinanderzubrechen - hohe volkswirtschaftliche Folgekosten für den Kanton

Ein Gutachten bestätigt: Die Abgeltung der Versorgungspflicht fällt bereits heute zu tief aus. Damit werden Aussagen widerlegt, die Kosten für die Versorgungspflicht der öffentlichen Spitex fielen zu hoch aus. Mit diesem Gutachten stehen schweizweit erstmals wissenschaftlich erarbeitete Daten zur Verfügung, welche dieKosten der Versorgungspflicht in der ambulanten Hilfe und Pflege aufzeigen. Das Gutachten wurde vom Beratungsunternehmen Polynomics AG1 durchgeführt, welches bereits aus den Bereichen Telekommunikation, Post und Energie Expertenwissen in der Berechnung von Service-Public-Kosten mitbringt. Bei einer Umsetzung des Sparpakets sehen sich die öffentlichen Spitex-Organisationen gezwungen, künftig auf die Versorgungspflicht bei der Hauswirtschaft und Sozialbetreuung und allenfalls sogar in der Pflege zu verzichten. Fällt die Versorgungspflicht ganz weg, betragen die volkswirtschaftlichen Folgekosten für den Kanton wesentlich mehr als die angestrebten Einsparungen.

Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF), so betont sie selber, hat auf Druck des Schweizerischen Verbandes der privaten Spitex (ASPS) diese Abgeltung massiv gekürzt. Die GEF basiert ihre Argumentation auf den vermeintlich hohen Gewinnen. Die Kürzungen der GEF übersteigen die Gewinne der öffentlichen Spitex jedoch bei weitem. Aufgrund der Heterogenität im Kanton Bern weisen längst nicht alle Organisationen Gewinne aus. Die öffentlichen Spitex-Organisationen konnten mit dem Regime der Kostenobergrenze bis zum Jahre 2011 kein Eigenkapital erarbeiten. Sie verfügen deshalb heute über eine sehr schmale Eigenkapitalbasis, was bei Verlusten schnell existenzgefährdend ist. Im Gegensatz zu privaten Anbietern müssen die öffentlichen Spitex-Organisationen allfällige Überschüsse reinvestieren. Zudem basieren die
Einnahmen nicht nur auf der Abgeltung der Versorgungspflicht, sondern auch den Entschädigungen für erbrachte Leistungen. Hier sind private Anbieter gleich behandelt. Diese Beiträge hat die GEF nicht gekürzt, obwohl (auch) Private Gewinne schreiben. Wir anerkennen, dass private Anbieter ebenfalls wertvolle Arbeit verrichten und die Zusammenarbeit vor Ort mit den öffentlichen Spitex-Organisationen gut bis sehr gut funktioniert.

Die Abgeltung der Versorgungspflicht ist nicht nur im Kanton Bern umstritten. Ob sie zu grosszügig ist oder ob sie die Kosten deckt, das war bisher ungeklärt. Aus diesem Grund liess der SPITEX Verband Kanton Bern die Kosten der Versorgungspflicht Anfang 2013 berechnen – also weit bevor er Kenntnis des Sparpakets hatte. Die Berechnungen der Kosten für die Versorgungspflicht sowie die Vorhalteleistungen stützen sich auf Spitex-Organisationen im Kanton Bern, welche insgesamt 220‘000 Einwohner abdecken und deshalb repräsentativ sind.

Das Gutachten gibt zusätzlich Auskunft darüber, mit welchen Kosten die öffentliche Hand rechnen müsste, wenn die Versorgungspflicht durch die Spitex nicht mehr wahrgenommen werden könnte. Die Resultate zeigen, dass die Abgeltung der Versorgungspflicht durch den Kanton aktuell zu tief ausfällt. Gemäss Polynomics betragen die Nettokosten der Versorgungspflicht der öffentlichen Spitex im Kanton Bern Fr. 27,9 Mio. Dem gegenüber steht die Abgeltung von Fr. 25,3 Mio. des Kantons. Dieser Betrag deckt nur 90% der Nettokosten. Es fehlen also bereits heute Fr. 2,6 Mio.

Folgekosten für Kanton beim Wegfall der Versorgungspflicht durch die öffentliche Spitex

Die allfälligen Folgekosten bei einer Abschaffung der Versorgungspflicht der öffentlichen Spitex-Organisationen zeigen den volkswirtschaftlichen Nutzen der Hilfe und Pflege zu Hause deutlich: Würden die benötigten Pflege- und hauswirtschaftlich- sozialbetreuerischen Leistungen durch
Ärzte, Spitäler, Heime usw. erbracht, wäre das gesamtwirtschaftlich betrachtet über CHF 250 Mio. teurer pro Jahr. Dies unter der hypothetischen Voraussetzung, dass überhaupt jemand die nötigen Strukturen bereits hätte, um diese Leistung erbringen zu können. In diesem Betrag sind weder die zusätzlichen Ergänzungsleistungen, noch die Kosten zur Schaffung der dafür erforderlichen Heimplätze berücksichtigt.

Auswirkungen des Sparpakets

Wird das Sparpaket umgesetzt muss sich die öffentliche Spitex neu ausrichten. Sie wird die ärztlich verordneten hauswirtschaftlichen und sozialbetreuerischen Leistungen nicht mehr flächendeckend anbieten können. Bisher hat sie auch Einsätze erbracht, die ökonomisch unrentabel waren, zum Beispiel wegen kurzen Hauswirtschaftseinsätzen und mit langen Wegzeiten. Die Vergütung dieser Versorgungspflicht soll halbiert werden. Die Entschädigung für die Versorgungspflicht der Pflege soll um 25% gekürzt werden. Erfolgt diese Leistung defizitär, müsste auch auf diese Versorgungspflicht verzichtet werden. Die Existenz der Spitex-Organisation wäre ansonsten gefährdet. Die Konsequenzen tragen jene Patientinnen und Patienten, für die kein Leistungserbringer zur Verfügung steht, weil die Leistung nicht kostendeckend erbracht werden kann. Von dieser Versorgungslücke betroffen sind Patienten in ländlichen wie städtischen Gebieten, aber auch pflegende Angehörige, Hausärzte, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Spitex-Organisationen. Mit den Fallpauschalen sind auch die Spitäler auf eine leistungsfähige Spitex angewiesen, weil Patienten sonst länger im Spital bleiben müssen.

Das Modell der öffentlichen Spitex, die Hilfe und Pflege zuhause aus einer Hand anbietet, droht auseinanderzubrechen. Das wiederum hat kurz- und mittelfristige Kostenfolgen für den stationären Bereich und für die Institutionen, aber auch für die Ergänzungsleistungen und die Sozialhilfe, die mit höheren Kosten zu rechnen haben. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das Sparpaket 2014 ist im Bereich Spitex unsinnig. Der Kanton spart nicht – er verschiebt nur Kosten auf schmerzhafte Weise. Ein Sparpaket in der Grösse, wie es auch den übrigen Leistungserbringern im Gesundheitswesen aufgebürdet wird, müsste die öffentliche Spitex verkraften. Das Neunfache, also der Wegfall eines Drittels der bisherigen öffentlichen Gelder kann nur mit Leistungsabbau und damit verbundenen Entlassungen aufgefangen werden.

zum Gutachten (Kurzfassung)

(Medienmitteilung, SPITEX Verband Kanton Bern, 19.9.2013)

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